Der Vorgang des Yoga befreit uns von dieser materiellen Welt, einer Welt der Dualität: Heute sind wir der Hitze des Sommers unterworfen und morgen schon der Kälte des Winters; einmal sind wir glücklich und ein andermal unglücklich; einmal werden wir geehrt, und ein andermal geschmäht. In dieser Welt der Dualität ist es unmöglich, etwas getrennt von seinem Gegenteil zu verstehen...
Man kann nicht verstehen, was Ehre ist, solange man nicht weiß, was Schmach ist. Ebenso wenig kann man verstehen, was Leid ist, wenn man niemals Glück erfahren hat, oder verstehen, was Glück ist, wenn man niemals Leid erfahren hat. Diese Dualitäten müssen überwunden werden...
...aber solange man einen materiellen Körper hat, wird es auch diese Dualitäten geben.
Wenn man sich von der körperlichen Lebensauffassung befreien will - nicht vom Körper, sondern von der fälschlichen Identifikation mit dem Körper -, muß man lernen, diese Dualitäten zu erdulden.
Im Zweiten Kapitel der Bhagavad-gita sagt Krishna zu Arjuna, dass die Erfahrung der Dualität von Freud und Leid allein auf den Körper zurückzuführen ist. Man muß lernen, sie zu erdulden wie eine Hautkrankheit. Obwohl eine solche Krankheit starkes Jucken verursachen kann, sollte man nicht wie verrückt kratzen. Wir sollten nicht die Nerven verlieren oder von unserer Pflicht abweichen, nur weil uns Mücken stechen. Es gibt eine Unzahl von Dualitäten, die man erdulden muß, aber wenn man den Geist durch den Vorgang des Yoga im Krishna-Bewusstsein festigt, werden all diese Dualitäten unbedeutend erscheinen.
Wie wird es möglich, solche Dualitäten zu erdulden?
jnana-vijnana-trptatma
kutha-stho vijitendriyah
yukta ity ucyate yogi
sama-lostrasma-kancanah
"Ein Mensch gilt als selbstverwirklicht und wird als Yogi (Mystiker) bezeichnet, wenn er aufgrund von gelerntem und verwirklichtem Wissen völlig zufrieden ist. Ein solcher Mensch ist in der Transzendenz verankert und selbstbeherrscht. Er sieht alles - ob Kies, Steine oder Gold - als gleich an." (Bg. 6.8)
Jnana bedeutet theoretisches Wissen und vijnana praktisches Wissen. Ein Naturwissenschaftler zum Beispiel muß sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die praktische Anwendung seiner Wissenschaft studieren.
Theoretisches Wissen allein wird nichts nützen, solange man nicht weiß, wie man es anwendet.
Ebenso sollte man im Yoga nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktisches Wissen haben. Es hilft nichts, wenn man einfach sagt: "Ich bin nicht der Körper", und gleichzeitig auf unsinnige Weise handelt. Es gibt zahlreiche Gesellschaften, deren Mitglieder angeregt Vedanta-Philosophie diskutieren, während sie gleichzeitig rauchen, trinken und ein sinnliches Leben führen. Niemandem ist mit rein theoretischem Wissen geholfen, denn Wissen muß praktisch angewandt werden. Das bedeutet Yoga.
Wer tatsächlich versteht, dass er nicht der Körper ist, wird ernsthaft versuchen, seine körperlichen Bedürfnisse auf ein Minimum zu beschränken. Wenn man behauptet: "Ich bin nicht der Körper", aber gleichzeitig die Bedürfnisse des Körpers vermehrt, hat dieses Wissen keinen Nutzen. Ein Mensch findet nur dann Zufriedenheit, wenn er sowohl Jnana als auch vijnana besitzt.